Tag 4 – Tiramisu in Frankreich?
Bei unserem Auto regt sich das kleine Hüngerchen. Das Navi im Auto will uns wild durch die Gegend schicken, damit wir unserem fahrbaren Untersatz sein 95-98 spendieren können. Ich entscheide dann spontan, Google Maps zu verwenden und Josh zu navigieren. Ihr könnt Euch denken, was passiert? Wir finden tatsächlich ein Drittel der gesuchten Tankstellen!
Die erste Tankstelle ist am Schluß nur zu Fuß erreichbar. Den Steilhang hoch und dann irgendwie auf die Autobahntankstelle. Komisch, warum hat Google uns nicht auf die Tankstelle geleitet? Ja, sie wäre auch auf der richtigen Seite gewesen. Nur 100 Meter tiefer ist sie ohne Kletterausrüstung nicht erreichbar. Wir suchen weiter, die nächste Tankstelle liegt an der Hauptstraße. Und ist kleiner als das Schild, das sie ankündigt.
Und gerade von einer Autofahrerin besetzt, die große Schwierigkeiten beim Benutzen dieser Tankstelle hat. Deshalb fahren wir zur Nächsten. Sie soll in einem Dreieck liegen, das begrenzt wird von der sich gabelnden Hauptstraße. Trotz restriktiver Einbahnstraßenregelung gelingt es uns, das Dreieck von jeder Seite anzufahren. Eine Tankstelle gibt es dort nicht. Also fahren wir zurück zu unserer Zwerg – Tankstelle.
Josh stellt begeistert fest, daß man “Deutsch” auswählen kann. Kann man, passiert aber nix. Alles bleibt italienisch. Bis auf das Sprachauswahlmenü. Tatsächlich funktioniert das Kreditkartenlesegerät. Nicht mit der ersten Karte. Aber mit der dritten. Wir tanken voll und erst dann fällt uns auf, daß wir höhere Spritkosten erwartet hätten. 1,774 für Super ist momentan gar nicht so viel.
Abzocke auf der Piste
Wir finden den Rückweg auf die Autobahn, passieren die Tankstelle, die wir eigentlich auf der Autobahn hätten nehmen können und stellen fest, dass der private Autobahnbetreiber oder die Betreiber der Tankstelle einen 50 Cent höheren Preis von ihren Kunden pro Liter Kraftsstoff fordern. Schon eine Sauerei, den eigenen “Ortsvorteil” in so einem riesigen Umfang zu monetarisieren. Für Familien, die mit dem Auto in Urlaub fahren, macht das locker 30,- Euro bei einer Tankfüllung aus.
Dann überqueren wir die Grenze zu Frankreich. Und bitte liebe Italiener, nehmt mir das jetzt nicht übel. Mir würde das auch so gehen, wenn ich von Deutschland nach Frankreich einreisen würde. Oder von wo auch immer. Wenn Ihr also das Gefühl kriegen solltet, ich würde Italien nicht mögen, dann entschuldigt meine unklare Schreibweise. Ich liebe Italien. Aber ich liebe Frankreich einfach noch ein bisschen mehr.
Landschaft, Ortschaften und Licht. Ich finde, das besonders der Wechsel von der Cinque Terre zur Côte d´Azur einen deutlichen Unterschied beim Blick aus dem Auto bewirkt. Auch die französischen Autobahnen wirken wesentlich moderner und gepflegter, sie sind aber auch – fair enough – zumindest gefühlt teurer als ihre italienischen Pendants.
Heute lassen wir es uns gut gehen, das Ziel ist Arles, die nach Fläche größte Kommune Frankreichs. Mit einer Einwohnerzahl um die 50.000 gibt es schon eine Menge Infrastruktur, trotzdem hat Arles den Charmes eines kleinen verschlafenen “Nests” im Süden. Arles wurde schon im 3. Jahrhundert Bischofssitz und nach ziemlich viel HickHack mit Ostgoten, Burgonnen und sogar Römern wanderte der Erzischof letztlich frustriert nach Aix-en-Provence aus. Arles fiel 1481 mit der Grafschaft Provence an Frankreich und blieb bis 1801 Bischofssitz. (Quelle: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Arles).
In Booking hab ich mich schnell und spontan für das l´Hotel Particulierentschieden, weil es für mich einfach sehr das Frankreich der Klein- und Mittelstädte repräsentiert, das ich so liebe. Ich stelle auf Booking die Sortierung immer auf “Beste Bewertung zuerst”. Das ist natürlich keine objektive Sortierung nach Hotelklasse. Aber eine Sortierung danach, wo am ehesten die Erwartungen der Gäste übererfüllt wurden. Denn so sind die Bewertungssterne ja zu verstehen. Dieses Mal sind wir im gehobeneren Preisbereich, die Zimmer lagen zwischen 200,- und 300,- Euro.
Wir wurden nett empfangen. Und versackten nach dem Bezug der Zimmer im Innenhof. Ich bestellte ein bisschen Baguette (der Franzose kennt natürlich das Wort Baguette, bestellt aber “Pain” (=Brot)) und Käse. Dazu ein Glas Weisswein. Später lud uns die super nette Inhaberin noch auf eine Runde ein. Beinahe hätten wir es nicht mehr geschafft, diesen Innenhof zu verlassen.
Träge quälen wir uns zum Dinner
Dann wäre uns aber das “Grand Café Malarte” entgangen, eine Empfehlung der Hotelbesitzerin. In Google nur mit 4.1 Punkten versehen, in TripAdvisor mit 4 Punkten. Wir waren etwas skeptisch. Zudem ist “mal arte” sagen wir mal eine ungewöhnliche Marketingsaussage. Fühlten uns aber angezogen von dem super schönen Interior Design und den Heizpilzen an den Sitzplätzen.
Zwei nette tätowierte Rauschebart-Hipster bedienten uns. Wir bestellten erstmal ein Glas Weißwein. Was unserem Rauschebart irgendwie nicht gefiel. Er schlug vor, erstmal einen kleinen Schluck zum Probieren zu bringen. Er hatte recht. Schauderhaft. Da er offensichtlich mehr von seinen Weinen verstand als ich, bat ich ihn, einfach den Rotwein zu bringen, den er trinken würde.
Und dann ging es los. Natürlich bestellten wir das Charolais Rind. Ich kann Euch nur sagen: Ein Hochgenuss! Ich mag eigentlich auch das Fett beim Rind nicht, weil es oft so einen “ranzigen” Geschmack hat. Und hier habe ich auch viel weggeschnibbelt.
Aber Konsistenz, Geschmack und Textur waren einfach großartig.
Die bestellte Sauce Bernaise zog hier klar den kürzeren, sie war nicht schlecht, aber eben lange nicht gut genug für das hervorragende Rindfleisch. Und selbst die Kartoffelprodukte haben so schön nach Kartoffel geschmeckt, das die recht saure Sauce Bearnaise keinen Einsatzzweck mehr fand.
Also: Fleisch können die im “malarte”. Und zwar phänomenal. Sauce Bearnaise würde ich lieber woanders bestellen. Aber: ich brauche sie hier auch nicht!
Nachdem unser Hipster-Team mittlerweile in meinem Ansehen in Richtung Olymp durchgestartet war, fragte ich schüchtern nach einer Dessert-Empfehlung. Dann kam, Ihr werdet es nicht glauben: Tiramisu.
Italienische Heiligtümer nach dem Hauptgang?
Ich sagte, das ich noch nie ein Tiramisu in Frankreich bestellt hätte. Und er sagte: Dann machst Du das eben heute zum ersten Mal. Ich im Scherz: Nur, wenn Du mir noch ein Panna Cotta bringst.
Kurze Zeit später stand beides auf dem Tisch. Josh hatte ein Panna Cotta mit Karamell bestellt. Das kann ich nicht schönreden und lasse es daher kollegial unkommentiert. Mir blieb also das harte Schicksal, beide Desserts zu probieren.
Und da ist natürlich viel Verantwortung dabei: Die italienischen Dessert – Heiligtümer. In Frankreich serviert. Auf Tellern mit der Tricolore. Also der französischen … Also, was soll ich sagen … Nachdem ich ja den Italienern im vorletzten Teil vorgeworfen habe, das französische Croissant zu verunstalten. Wie schlagen sich jetzt die Franzosen mit den beiden wichtigsten italienischen Nachspeisen?
Trommelwirbel …
Leider, liebe italienischen Freunde, überraschend gut! Beide Desserts sind, eher ungewöhnlich für Frankreich, zu süss. Also spürbar zu süss. Das Tiramisu hat eine fast perfekte Konsistenz. Vielleicht bilde ich mir das auch ein, weil für mich zur französischen Küche ein relativ hemmungsloser Einsatz von Butter dazu gehört, aber ich meine durch die Mascarpone – Creme auch noch einen Hauch von eigentlich nicht dazu gehörender Butter durch zu schmecken.
Das Panna Cotta ist handwerklich perfekt, es fehlt aber geschmacklich das letzte Quentchen. Auch der Fruchtspiegel aus Himbeeren ist mehr ein dünnes Sösschen, das auf die gelierte Sahne gegossen wurde.
Schöner wäre ein Fruchtspiegel mit Fruchtmark auf dem Teller gewesen. Der auch geschmacklich besser abgestimmt gewesen wäre zum Panna Cotta.
Wenn ich ein Fazit ziehen müsste: Das Fleisch zählte zu den Besten meines Lebens. Die italienischen Süsspeisen habe ich klar schon besser gegessen, das ist jetzt aber Jammern auf hohem Niveau. Insgesamt war die Rechnung in Relation zum Gebotenen sehr günstig.
Lassen wir den Italiern fürs erste die Krone zumindest bei ihren Desserts. Und freuen uns über das hervorragende Gesamtpaket in Frankreich!
Zurück im Hotel verschwinden wir auf die Zimmer, eine größere Gruppe Damen im reiferen Alter aus Dallas hatte sich schon erkundigt, wer von uns verheiratet wäre.
Die Zimmer sind geschmackvoll restauriert. Viele alte Elemente sind erhalten, andere nachgebaut. Eine echte Wohlfühlatmosphäre und bei den Räumen hat man das Gefühl, als würden sie sich denken: “Komm Du nur auch noch, wir haben schon viele von Euch gesehen …”
Französisches Frühstück – hossa!
Das Frühstück sollte – hoteltypisch – 26 Euro oder so ähnlich kosten. Wir entschieden uns daher, kurz zur Hauptstraße zu gehen. Und nach einem Café zu suchen.
Schließlich und endlich wollten wir zum ersten Mal auf dieser Reise ein gutes Croissant essen! Wir konnten auf der Hauptstraße zwischen zwei Cafés wählen, die direkt um die Ecke lagen. Wir wählten die Filiale des Meinado, eine kleine regionale Kette, die in wirklich hochwertiger Qualität Patisserie produziert und verkauft.
Ich bestellte – genau wie in Italien – zwei Croissants, zwei Cafés, zwei Pains au chocolat und zwei Oranginas. Zusätzlich noch ein Himbeertörtchen. Der Rechnungbetrag war auf den Cent der gleiche wie in Italien: 20,30 Euro.
Erdbeermarmelade gab es auch keine. Aber egal, das Croissant war super! Das Törtchen herrlich! Und die Orangina wie erwartet.
Ein wirklich genussvolles Frühstück. In der Sonne in Arles. Leben wie Gott in Frankreich!
Morgen geht es weiter mit Barcelona!